Kein Bock war gestern – wie Motivation aufgebaut wird (und bleibt)

Eltern-Teen-Coach Katarina Gruler

In diesem Beitrag bekommst du einen ehrlichen Blick aus dem Klassenzimmer: Was motiviert Jugendliche wirklich und was nicht? Du erfährst, wie stark Motivation mit sinnvollen Zielen, kleinen Erfolgserlebnissen und emotionaler Sicherheit zusammenhängt und wie du genau das auch zu Hause unterstützen kannst. Am Ende meines Beitrags findest du einen Motivationsplaner, mit dem du meine Tipps im Alltag umsetzen kannst.

Katarina Gruler

Über die Autorin:
Katarina Gruler kennt die Herausforderungen mit Teenagern aus erster Hand – als langjährige Klassenlehrerin ebenso wie als Eltern-Coach. Mehr als zehn Jahre begleitete sie Jugendliche an einer Werkrealschule in Baden-Württemberg durch die wohl turbulenteste Zeit ihres Lebens: die Pubertät. Heute hilft sie als Eltern-Teen-Coach Müttern und Vätern dabei, wieder Zugang zu ihren Jugendlichen zu finden – mit einem klaren Blick für das, was Teenager wirklich brauchen und konkreten Wegen, wie Eltern sie dabei stärken können. Auf ihrem Instagram-Kanal @eltern_mit_teenager und ihrer Website eltern-mit-teenager.de teilt sie Impulse, die Eltern entlasten und Familien stärken.

Ein pädagogisch-psychologischer Blick – Meine Erkenntnisse aus dem Klassenzimmer

Ich habe im Laufe der Jahre erkannt, was Schülerinnen und Schüler wirklich motiviert und was nicht. Es war kein einzelner Aha-Moment, sondern ein Prozess aus Beobachtungen, Gesprächen und vielen Unterrichtsstunden. Es gab Tage, an denen ich mit sehr viel Herzblut eine Unterrichtsstunde vorbereitet habe, doch kaum jemand reagierte und beteiligte sich. Und dann gab es diese Momente, in denen plötzlich Energie im Raum lag: Beteiligung, Interesse, Spaß. Und das, obwohl das Thema objektiv eher „langweilig“ war bzw. von mir schnell aufbereitet wurde.

Nach und nach wurde mir klar: Es sind immer wieder dieselben drei Dinge, die über Motivation entscheiden. Ganz gleich, ob es um Vokabeln, Deutsch, ein Referat oder die nächste Klassenarbeit geht. Ich beobachtete in meinem Unterricht, wie stark Motivation mit drei entscheidenden Faktoren zusammenhängt:

  1. Erstens braucht es ein Ziel, aber nicht irgendeines, sondern eines, das das Gehirn als relevant einstuft.
  2. Zweitens braucht es Erfolgserlebnisse, also Momente, in denen Schüler:innen erleben: „Ich kann das.“ Denn genau dann schüttet das Gehirn Dopamin aus, ein Neurotransmitter, der unmittelbar mit Motivation, Antrieb und Fokus verbunden ist.
  3. Und drittens, das wird oft unterschätzt, braucht es ein Gefühl von Sicherheit: emotional, sozial, strukturell.

Genau an diesen drei Punkten versuche ich täglich in meinem Unterricht anzusetzen. Denn wenn sie zusammenspielen, dann entsteht Motivation fast wie von selbst. Und umgekehrt: Wenn auch nur einer dieser Faktoren fehlt, wird es schwierig. Dann erlebt ein Jugendlicher Aufgaben als leer, anstrengend oder sogar überfordernd, selbst wenn sie objektiv machbar wären. Dann höre ich im Unterricht Sätze wie „Wozu soll ich das überhaupt lernen?“ oder „Ich versteh das eh nicht.“

Relevante Ziele formulieren

Gerade beim Thema Ziele zeigt sich oft die eigentliche Wurzel von fehlender Motivation. Viele Schülerinnen und Schüler starten mit einem „Ich MUSS das machen.“. Dieses „Müssen“ kommt fast nie von ihnen selbst. Es stammt von außen: Lehrer, Noten, Eltern. Ein sogenanntes Fernziel. Und genau das aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn kaum oder gar nicht.

Was fehlt, ist der innere, eigene Antrieb. Der Moment, in dem ein Thema plötzlich Sinn für die Jugendlichen ergibt. Meine Schülerinnen und Schüler hören zwar von mir, dass sie etwas bearbeiten sollen, aber sie spüren keinen eigenen Grund dafür. Deshalb versuche ich, die Formulierung zusammen mit meinen Schülerinnen und Schülern zu ändern: Nicht „Ich muss das lernen.“, sondern „Ich will das können, weil …“. Ich arbeite mit den Jugendlichen daran, eine persönliche Verbindung zur Aufgabe zu finden. Aus einem „Ich muss die Stilmittel können.“ wird dann zum Beispiel: „Ich will das erkennen, damit ich Texte besser verstehe und nicht mehr so hilflos vor den Aufgaben sitze.“

Das Entscheidende ist dieser kleine Perspektivenwechsel: Der Satz beginnt nicht mehr mit „Ich muss...“, sondern mit „Ich will...“. Und das WARUM entsteht im Inneren, nicht, weil ICH es gesagt habe, sondern weil es für den Jugendlichen plötzlich selbst Sinn ergibt und er sich ein kleines erreichbares Ziel selbst gesetzt hat. Und genau dann beginnt Motivation. Nicht im Druck von außen. Sondern in dem Moment, in dem ein junger Mensch sagt: „Ich will das können – für mich.“


Oft entsteht Zielsetzung erst durch das, was nicht mehr so sein soll. Als Enternteil kannst du versuchen, mit deinem Teenager aus seinem oder ihrem Frust heraus Ziele zu formulieren. Wenn dein Teenie etwa sagt: „Ich will nicht mehr so spät anfangen mit lernen.“, ist das schon ein Ziel, auch wenn es negativ klingt.

Genau daran kannst du anknüpfen und gemeinsam überlegen, was der kleinste Schritt sein könnte, um das zu ändern. Zielsetzung aus Frust ist ein guter Anfang. Wenn dein Kind sagen darf, was es nicht mehr möchte, entsteht Raum für echte Veränderung und Motivation kann beginnen.

Erfolgserlebnisse ermöglichen

Oft sind es Kleinigkeiten, mit denen wir im Alltag einen Unterschied machen können. Ein weiteres Beispiel aus meinem Unterricht, das du zu Hause übernehmen kannst: Wenn Jugendliche vor einer großen Aufgabe stehen, wirkt diese oft so riesig, dass sie gar nicht erst anfangen. Das Gehirn schaltet sofort auf Stressmodus. „Zu viel, zu schwer, das schaffe ich eh nicht.“ Und zack, ist die Motivation weg.

Was dagegen hilft: Dopamin. Dieser Botenstoff im Gehirn sorgt für ein gutes Gefühl. Und genau diesen Botenstoff  kann ich gezielt aktivieren, indem ich den Einstieg so klein und machbar wie möglich gestalte. Ich sage im Unterricht also nicht: „Schreib jetzt die GANZE Erörterung“ (auch wenn die den Aufbau kennen), sondern: „Heute schreibt ihr bitte erstmal die Einleitung.“. Genau dieser kleine erste Schritt bringt oft den entscheidenden Unterschied bei Schülern, die wenig motiviert sind. Weil er machbar ist. Weil er schnell zu einem ersten Erfolg führt. Und genau das löst Dopamin aus.


Auch zu Hause kannst du genau an dieser Stelle ansetzen mit dem sogenannten 5-Minuten-Trick: Statt dein Kind auf das große Ziel hinzuweisen („Mach die ganzen Hausaufgaben!“), hilf ihm, nur den Einstieg zu schaffen. Schlag vor, einfach den Timer auf fünf Minuten zu stellen und in dieser kurzen Zeit loszulegen: ohne Verpflichtung, danach weiterzumachen. Die Vereinbarung lautet: „Stell dir den Wecker auf fünf Minuten. Du beginnst und wenn du danach aufhören willst, ist das völlig okay.“

Was dieser Trick macht, ist verblüffend einfach und effektiv: Er senkt die Einstiegshürde so weit, dass die erste kleine Handlung möglich wird. Und genau diese Handlung sorgt oft für den entscheidenden Anschub. Denn der Timer signalisiert: „Es ist überschaubar.“ Und wenn dein Teenie einmal begonnen hat, passiert etwas im Gehirn: Das Erfolgserlebnis, auch wenn es klein ist, löst Dopamin aus, das wiederum Lust auf mehr macht. Aus fünf Minuten werden dann oft zehn oder fünfzehn. Nicht, weil du es eingefordert hast, sondern weil der erste Schritt getan wurde und sich gut angefühlt hat.

Was auch wirkt, und das betrifft auch besonders den Elternalltag, ist echte Mitsprache. Jugendliche lassen sich nicht motivieren, wenn sie keinen Gestaltungsspielraum haben. Sobald sie das Gefühl haben, sie müssen etwas tun, schaltet das System auf Widerstand. Sobald sie etwas mitentscheiden dürfen, auch wenn es nur die Reihenfolge der Aufgaben ist, verändert sich ihre innere Haltung und Motivation.

Emotionale Sicherheit schaffen

Und dann ist da noch ein Punkt, der mir besonders am Herzen liegt: emotionale Sicherheit! Sie ist die Grundlage für jede Form von echter Motivation. Kein Gehirn kann kreativ, konzentriert oder zielgerichtet arbeiten, wenn es im Dauerzustand von Anspannung, Bewertung oder Überforderung feststeckt. Gerade Jugendliche, die ständig unter Druck stehen, durch Noten, Vergleiche oder unausgesprochene Erwartungen, schalten irgendwann innerlich ab. Ihr Nervensystem wechselt dann in den Überlebensmodus. Und in diesem Modus hat Motivation keinen Platz.

Ganz anders sieht es aus, wenn ein Rahmen entsteht, in dem Fehler okay sind. In dem Leistung nicht über allem steht. In dem Beziehung wichtiger ist als Kontrolle. Genau in so einem Klima fangen viele Jugendliche an, aufzublühen und sich mit ganz anderer Energie ihren Aufgaben zu widmen. .


Auch zu Hause kannst du diese Sicherheit stärken. Und das geht viel einfacher, als viele denken. Es muss nicht das große Gespräch sein. Meistens reicht ein kurzer Moment echter Verbindung. Zum Beispiel, wenn du deinem Kind vor dem Lernen sagst: „Ich bin da, wenn du mich brauchst.“ Oder: „Du musst nicht alles sofort können: Schritt für Schritt reicht.“

Solche kleinen Sätze machen einen riesigen Unterschied. Sie nehmen den Druck raus. Sie zeigen: Ich sehe dich. Ich vertraue dir. Und genau in diesem Vertrauen wächst Motivation. Jugendliche, die sich emotional sicher fühlen, trauen sich mehr zu.

Fazit

Motivation ist also kein Glücksfall und kein Charakterzug. Sie ist kein Zufallsprodukt und auch kein Dauerzustand. Sie ist ein Prozess: einer, der gepflegt werden will. Und ja, manchmal braucht es dafür neue Denkweisen: mehr Vertrauen in kleine Schritte, mehr Mut zum Loslassen, weniger Fokus auf Leistung im klassischen Sinn und mehr auf Verbindung, Bedeutung und Selbstwirksamkeit.

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Viel Freude beim Ausprobieren!

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